Klinik versäumt Revisionsoperation mit Querschnittsfolgen

Nach einer Wibelsäulenoperation ergaben sich neurologische Befunde, die ein unverzügliche Revisionsoperation notwendig gemacht hätten. Innerhalb von maximal 6 Stunden hätte ein solcher Eingriff erfolgen müssen – erst nach 27 Stunden erfolgte eine Verlegung in die örtliche Universitätsklinik, da das Ausgangskrankenhaus für eine derartige Operation gar nicht ausgestattet war. Der Mandant ist nunmehr querschnittsgelähmt. Der gutachterlich festgestellte grobe Behandlungsfehler führte zu einer Schmerzensgeldzahlung von bislang 50.000,00 €.  Weitere Schadensersatzansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse und Zukunftsschadens werden geleistet.

 

Mein Mandant wurde vor knapp zwei Jahren in die Klinik eingeliefert. Am Einlieferungstag erfolgte eine Röntgenuntersuchung der LWS, die Abnahme von Routine-Laborwerten. Es wurde als Diagnose eine Lumbago (Hexenschuss) gestellt und der Mandant mit einer Vielzahl von Schmerzmitteln versorgt.

Fünf Tage nach Einlieferung erfolgte die CT-Diagnostik und erneute Röntgenuntersuchung. Bei diesen Untersuchungen wurde eine BWK-10-Fraktur festgestellt und radiologisch der Verdacht auf eine bösartige Erkrankung, zum Beispiel ein Plasmozytom, geäußert.

Die operative Aufklärung erfolge alsdann für eine Kyphoplastie sowohl anästhesiologisch als auch chirurgisch. In den Aufklärungen wurde keineswegs erkennbar, dass auf eine mögliche Tumorerkrankung hingewiesen wurde.

Die Diagnose eines möglichen Plasmozytoms führte auch nicht zu einer weiterführenden Diagnostik präoperativ, wie zum Beispiel die Abnahme einer Immunelektrophorese, der Abnahme von Tumormarkern oder einer dokumentierten Untersuchung, zum Beispiel zum Ausschluss eines möglichen Prostatakarzinoms, was in der Altersgruppe des Mandanten häufig Ursache von Knochenmethastasen an der Wirbelsäule ist.

Es wurden auch keine weiteren bildgebenden Verfahren durchgeführt, wie zum Beispiel eine Knochenzynthiographie oder eine MRT-Untersuchung, die den Befall der übrigen Wirbelsäule dokumentiert. Die CT-Untersuchung allein war jedenfalls nicht ausreichend, um den Befall der Wirbelsäule mit Metastasen sicher zu beurteilen.

Da bei dem Mandanten keine Tumorerkrankung anamnestisch bekannt war, handelte es sich im vorliegenden Fall auch nicht um eine palliative Situation, also eine Situation, in dem bei bekannten Tumorleiden lediglich eine Schmerzreduktion und Lebensverbesserung des Patienten durch operative oder medikamentöse Maßnahmen im Vordergrund stehen. Die Kyphoplastie des Wirbelkörpers war auch nicht dringlich geboten, da neurologische Symptome nicht dokumentiert wurden. Bei neurologischen Symptomen wäre eine Kyphoplastie auch nicht der alleinige geeignete operative Eingriff gewesen; dann hätte eine sogenannte Laminektomie mit Erweiterung des Wirbelkanals erfolgen müssen und gegebenenfalls eine Stabilisierung der Nachbarwirbel. Es handelte sich somit um einen elektiven, einen Wahleingriff. Dieser hätte auch zu einem späteren Zeitpunkt nach sorgfältiger Diagnostik erfolgen können.

Die operative Versorgung des Mandanten erfolgte nach standardisierter Aufklärung. Der Operationsbefund dokumentiert ein standardisiertes operatives Vorgehen, Zementaustritt wurde nicht bemerkt. Nach der Operation ist zu keinem Zeitpunkt eine ärztliche Untersuchung dokumentiert. Wegen des Verdachts auf ein Malignom wurde im übrigen eine Biopsie aus dem Wirbel entnommen.

Nachdem der Mandant aus dem Aufwachraum auf eine periphere Station verlegt worden war, findet sich erstmalig in der Pflegedokumentation der Hinweis auf eine neurologische Komplikation durch die Bemerkung der Taubheit der Beine um 19.30 Uhr. Die Beobachtung der tauben Beine wird erneut um 5.00 Uhr des Folgetages in der Pflegedokumentation wiederholt, ebenso die Unmöglichkeit des Patienten, Wasser zu lassen am frühen Morgen des Folgetages der Operation. Sowohl die Taubheit der Beine mit Minderbeweglichkeit als auch die Entleerungsstörung der Blase sind ein deutlicher Hinweis für eine mögliche Schädigung des Spinalkanals, zumal diese Befunde neu waren und vor der OP nicht bestanden haben. Zwischen dem ersten Bemerken neurologischer Störungen am Abend nach der Operation ist eine Kontrolle des Befundes erst wieder pflegerisch knapp 12 Stunden später dokumentiert.

Ein Hinzuziehen eines Arztes wird in der Dokumentation nicht erwähnt. Bei fehlender Urinausscheidung wird erst am folgenden Morgen ein Dauerkatheter gelegt, der eine massive Restharnbildung der Blase dokumentiert. Erst zu diesem Zeitpunkt, also in jedem Fall verspätet, ist die Notfalldiagnostik angelaufen, indem eine CT-Untersuchung veranlasst wurde, die wiederum erst mehrere Stunden später, knapp 24 Stunden nach dem operativen Eingriff erfolgte. Vermeintlich soll dieses aufgrund fehlender Gerätemöglichkeit so durchgeführt worden sein. Da die behandelnde Klinik nicht über entsprechende Geräte verfügte, erfolgte eine Verlegung 27 Stunden nach dem operativen Eingriff in die neurochirurgische Klinik der ansässigen Universität.

Bekanntermaßen muss allerdings bereits nach 6 Stunden nach Feststellung einer Einschränkung eine Revisionsoperation / ein operativer Eingriff erfolgen, da eine Erholung der Rückenmarkschädigung sonst nicht mehr zu erwarten steht.

Nach der Operation konnte gegen 19.30 Uhr festgestellt werden, dass ein solches Schädigungszeichen vorlag. Die Klinik hat indes keine Konsequenz hieraus gezogen.

Der Mandant ist nunmehr querschnittsgelähmt.

Die fehlerhaften ärztlichen Maßnahmen fasst der vom Gericht bestellte Gutachter wie folgt zusammen:

– Fehlende Diagnostik und operative Planung bei Verdacht auf bösartige Ursache der Wirbelfraktur;
– Fehlende ärztliche Untersuchung und Dokumentation der postoperativen Durchblutung, Motorik und Sensibilität der Beine und der Blasen-/Mastdarmfunktion;
– Erheblich verzögerte Diagnosestellung einer Schädigung des Spinalkanals mit daraus resultierender erheblich verspäteter Diagnostik, daraus resultierend verspätete Verlegung des Patienten in eine geeignete Klinik.

In der Gesamtheit stellt dieses mehrere ärztlicherseits nicht mehr verständliche und damit grobe Behandlungsfehler dar.

Ein zweitinstanzliches Vorgehen war daher nicht notwendig. Als Schmerzensgeld wurde ein Betrag von 50.000,00 € gezahlt. Weitere Schadensersatzansprüche werden aufgrund des bestehenden Zukunftsschadens geleistet.